Japanreise 2018 (21.04. - 04.05.)
3. Teil Miyazaki – Familie Kadota und die Produktion von Aracha Shincha Kamairicha
Eigentlich wollten wir schon gestern zur Familie Kadota fahren, aber kurzfristig mußte der Termin auf heute verschoben werden, denn gestern hatte Regen die Ernte verhindert. Dieser Aspekt spielt bei Teereisen in den Ursprung eine große Rolle, denn ab einer gewissen Menge Regen kann nicht mehr geerntet werden. Heute geht es aber früh mit dem Zug von Kagoshima nach Miyazaki. Die Kadotas wollen einen besonders feinen Aracha Shincha herstellen. Das Adjektiv „fein“ bezieht sich in diesem Fall auf die geringe Erntemenge. Es werden nur die feinsten Knospen und Blätter geerntet und wie sich später zeigt, hat selbst der unsortierte Rohtee kaum Stengel (Kuki). Für diesen Tee werden zu 100% Teeblätter des Cultivars Yabukita verwendet.
Es wird in diesem Teegarten der erste wirkliche Erntetag des Jahres sein. Nur ein kleiner Testschnitt wurde vor zwei Tagen gemacht und als sehr gut befunden. Dieser Garten beschäftigt sich schon länger mit den Ideen des Bio-Teeanbaus, und produziert seit mehreren Jahren bereits Tee ohne Einsatz von Pestiziden. Auch den Antrag auf eine Biozertifizierung hat er bereits gestellt. Diese kann dann Ende Mai nächsten Jahres ausgestellt werden, deshalb wird der Tee von den Kadotas zunächst als konventioneller Tee verkauft. Tobias & Dietmar von Marimo ist es wichtig nur mit Betrieben zu arbeiten, die ihren Tee biologisch anbauen, deshalb haben Sie schon jetzt einige Tees der Kadotas analysiert und alle sind nach EU Richtlinien unbelastet. Die Tees sind nicht nur sauber, sondern haben einen außergewöhnlich guten, vielfältigen und besonderen Geschmack. Seit dem Oktober letzten Jahres haben wir den Kadota Kama Iri Cha im Programm. Der Tee hat sich sofort sehr gut in unserem Angebot etabliert und wir haben viel positives Feedback bekommen.
Wir sind aus mehreren Gründen voller Vorfreude und positiv aufgeregt, denn es ist auch für uns der erste Erntetag des Jahres 2018 und wir werden das erste Mal die Produktion von Kama Iri Cha erleben. Das freut uns besonders, denn diese Teeverarbeitung ist im hochwertigem Teesegment eine absolute Rarität. Nur ca. 1% aller japanischen Grüntees werden heute noch auf diese Art und Weise hergestellt. Der Unterschied ist, dass Kama Iri Cha auf eine Tradition der Teeproduktion zurück geht, bei der grundsätzlich keine Dämpfung stattfindet, sondern bereits der erste Erhitzungsschritt in einer Kama durchgeführt wird, also mit trockener Hitze. Der Tee wird in verschiedenen Trommeln (Kama) erhitzt und schonend getrocknet.
An diesem Morgen sehen wir aus unserem Hotelzimmer in Kagoshima den aktiven Vulkan Sakurajima eine dicke Aschewolke ausspucken.
Unser Zug nach Miyazaki hat eine fröhliche Lackierung.
Zurück zum heutigen Tag, wir werden von Yusuke Kadota freundlich begrüßt und kurz danach treffen wir am Eingang der Fabrik auch auf seinen Vater Junji Kadota. Die beiden sind die beiden einzigen Mitarbeiter in diesem kleinen landwirtschaftlichen Betrieb, denn Sie haben nur 2,6 ha und können sich keine Angestellten leisten.
Vor 4-5 Jahren haben sie beide ihre vorherigen Jobs gekündigt, um in der Tradition des Großvaters, der aus gesundheitlichen Gründen und wegen des hohen Alters nicht mehr weitermachen konnte, die traditionelle Teeproduktion fortzusetzen – zum Glück!!!
Urgroßmutter und Schwiegertochter Kadota. Das dritte Urenkelkind ist bereits unterwegs.
Als wir in die kleine Fabrik kommen, werden wir von einem wunderbar betörendem Duft begrüßt. Die Produktion läuft schon auf Hochtouren, der Geruch bei der Teeverarbeitung fasziniert uns immer und dieses spezielle Herstellungsverfahren bringt wieder neue Geruchsnuancen mit sich. Wenn man diese Düfte einfangen und konservieren könnte, würde ich noch in das „Parfümgeschäft“ einsteigen. ^^
Vater und Sohn Kadota.
Die frische Ernte direkt am Eingang der kleinen Produktionshalle.
Diese wunderbaren Teeblätter wurden gerade erst geerntet.
Zart und glänzend kommen diese jungen Blätter frisch vom Feld.
Die Produktionskette ist einfach strukturiert und wir sehen einige sehr alte Maschinen. Hier läuft aber nicht alles, wie sonst übrlich, automatisch per Band von Station zu Station - immer wieder müssen die beiden in aufwändiger Handarbeit die Blätter zum nächsten Schritt bringen.
Zu Beginn der Produktion wird das frische Blattgut kurz und kräftig erhitzt.
Die frisch geschnittenen Blätter kommen zu Beginn für nur wenige Sekunden in einen Erhitzungsofen, der ca. 360° Celsius erreicht. Wichtig ist, dass die Blätter hier wirklich nur wenige Sekunden durchlaufen, damit keine zu starken Röstnoten entstehen. Im erhitzten Zustand kleben sie etwas zusammen und werden deshalb mit einem Luftstrahl in eine kleine Netztrommel geblasen und dort wieder gut separiert. In diesem Zustand kommen sie portionsweise zum nächsten Schritt in die Knetmaschine. Durch die Einstellung dieser Maschine wird auch großer Einfluss auf den späteren Geschmack des Tees genommen. Sowohl der Druck als auch die Zeit spielen eine Rolle. Für leichte Tees wird weniger Druck eingestellt.
Die erste Maschine erhitzt die Blätter während sie ständig durch rotierenede, gusseiserne Arme bewegt werden.
In diesem rotierenden Korb werden die Blätter per Luftstrom schonend voneinander getrennt.
Yusuke Kadota überprüft den Duft der Teeblätter ...
... und stellt die Zeit für die Knetmaschine ein.
Durch das Kneten der Teeblätter werden die Zellwände geöffnet. Dieser Schritt ist unentbehrlich für den späteren aromatischen Geschmack des Tees.
Die gekneteten Blätter landen dann in verschiedenen Trommeln und werden bei 30-40 Grad langsam getrocknet. Der vorletzte Schritt ist eine etwas größere Trommel, in der es Temperaturen bis zu 100 Grad gibt.
Hier sieht man die ersten beiden Heiztrommeln welche alle von dem Blattgut durchlaufen werden.
Das ist die dritte, rotierende Heiztrommel.
Die Werkstatt am Ende der kleinen Produktionshalle.
Zum Abschluss kommt ein sehr wichtiger Schritt, der großen Einfluss auf den Geschmack und auch die Form des Blattes hat. Auch hier handelt es sich um eine „Kama“, aber diese sind offen, haben einen Dreharm und erinnern an die chinesischen Teewoks, in denen der Tee noch mit der Hand produziert wird. Die halbkreisförmigen Schalen sind aus Gusseisen von unterschiedlicher Stärke. Diese werden von unten mit Gas beheizt. Dieser letzte Schritt dauert ein bis zwei Stunden, aber die Kadotas stellen sich keinen Wecker, sondern entscheiden am Geruch und am Zustand (wird durch drücken mit den Händen geprüft) der Stengel (Kuki) und Blätter, ob der Tee fertig ist.
Für Interessierte haben wir die Produktionsschritte auch nochmal kurz gefilmt:
Das Herzstück und der letzte Schritt für diesen besonderen Tee ist diese, 100 Jahre alte Hon-Kama (= echte "Kama") aus schwerem Gusseisen.
Drei von diesen historischen Kamas stammen von Shigeru Morimotos verstorbenem Vater Ryotaro Morimoto. Nachdem der befreundete Morimotobetrieb sich auf gedämpfte Tees spezialisiert hatte, wurden diese Geräte an die Katoda Familie verschenkt. So finden sie weiterhin eine sinnvolle Verwendung. Die einzige Veränderung war die Umstellung vom Holzbetrieb auf Gas.

Die rotierenden Greifarme werden durch historische Gurte und Wellen betrieben. Wäre hier nicht gerade aktiver Betrieb, würde es fast wie in einem Museum wirken.
Et voilà, der fertige Aracha Shincha Kamairicha.
Die Urgroßmutter hilft natürlich auch mit, in der Erntezeit packen alle mit an.
Alle Maschinen auf einen Blick. Dieser kleine Betrieb strahlt einen besonderen Charme aus.
Urgroßmutter Kadota.
Der Gemüsegarten der Familie grenzt direkt an die Teefelder.
Yusuke Kadota und sein Vater Junji Kadota im Teefeld.
Heute versuchen Sie einen leichten, floral-fruchtigen Aracha zu produzieren und das gelingt Ihnen sehr, sehr gut! Als wir den Tee verkosten sind wir sofort begeistert. Leichte Süße, ein betörender Duft, florale Noten, die langsam ins leicht fruchtige übergehen und ein angenehmer Nachhall. We are in love. <3
Das ist er, der trocken produzierte, "Neue Tee" des Jahres 2018 von Kadota & Kadota.
Er wird sofort augegossen ...
... und verkostet. Wir sind begeistert vom Bouquet und dem feinen, blumigen Geschmack dieser Rarität.
Im weiteren Verlauf der Reise bereite ich diesen Tee noch öfter im Hotelzimmer zu und unsere Begeisterung wächst. Dieser Tee kommt als Aracha zu uns nach Deutschland und deshalb ist die Menge sehr limitiert.
Beim gemeinsamen Mittagessen auf dem Hof unter einer Pagode entscheiden wir noch einen weiteren Erste-Ernte-Tee in unser Sortiment aufzunehmen. Der wird dann aber etwas später kommen und auch nicht als Aracha, sondern als final verarbeiteter Kama Iri Cha. Wir können schon heute probieren, was uns erwarten wird, weil die Kadotas eine ganz kleine Menge des Testschnitts von vor zwei Tagen schon final verarbeitet haben.
Auch dieser Tee wird großartig, etwas intensiver mit einem Hauch von Nussigkeit, aber wer starke Röstnoten erwartet, die man vielleicht schon von Kama Iri Cha kennt, wird überrascht sein, denn die hat dieser Tee nicht.
Das ist nicht der Aracha (Rohtee), sondern ein final erhitzter Erster-Ernte-Tee den wir noch nicht im Sortiment haben.
Frische Teeknospe im Teefeld der Kadotas.
In ungespritzten, biologisch betriebenen Teefeldern findet man immer wieder kleine Bewohner.
Hier sprießen viee junge Teetriebe.
In einem kleinen Nebengebäude sehen wir die Sortiermaschine, die heute gar nicht gebraucht wird, denn der heute produzierte Aracha (Rohtee) hat wirklich nur feine Blätter und kaum Stengel und kommt schon nächste Woche so mit ins Flugzeug. An dieser Stelle noch kurz zur Erklärung Aracha bedeutet, dass der Tee nicht final sortiert und nicht final erhitzt (hi-ire) ist, deshalb hat er noch ca. 5% Restfeuchte im Blatt. Der Tee schmeckt deshalb noch frischer und oft auch leichter, für uns auch noch ein bisschen mehr nach „Frühling“. ^^
Aracha ist also ungesiebter, nicht final erhitzter Rohtee. Unabhängig von der Sorte oder dem Anteil der Stile. Die finale Erhitzung (jap.= hi ire) ist normalerweise der letzte Produktionsschritt bei der Herstellung von Japanischem Grüntee. Aracha ist also noch nicht komplett fertig verarbeitet sondern eigentlich dazu gedacht zu einem späteren Zeitpunkt zu einem fertigen Grüntee zu werden. Er wird häufig über längere Zeit im Kühlhaus gelagert und dann erst kurz vor der Auslieferung beim Händler final verarbeitet. Wir haben beispielsweise einige Tees als Aracha in Japan in Kühlhäusern liegen, bzw. reserviert und rufen Sie erst bei Bedarf ab, d.h. erst kurz vor dem Versand nach Deutschland wird dieser Tee finalisiert. Das hat den großen Vorteil, dass man auch ganzjährig frische Tees bekommen kann. Dieser Schritt trägt maßgeblich zum Geschmack des Endprodukts bei - hier wir beispielsweise der Grad der Nussigkeit gesteuert.
Die einzig traurige Nachricht des Tages ist der Verlust von einigen Teilen der 1. Ernte für die Familie Kadota. Als man Anfang April schon in den Erntevorbereitungen war, gab es am 8. April, ungewöhnlich spät, einen Eiswind, der einigen Pflanzen Frostschäden zugefügt hat. Viele dieser Pflanzen können jetzt erst viel später geerntet werden und das bedeutet für diesen kleinen Familienbetrieb schon einen recht großen Verlust, denn die frühen Ernten sind geschmacklich und deshalb auch wirtschaftlich die wertvollsten.
Olli steht am Teefeld mit den Frostschäden. Die beschädigten Blätter mussten geschnitten werden und nun sprießen die frischen Knospen hervor.
Aufgrund der diesjährigen, späten Eiswinde wurde die Hälfte vom first flush zerstört. In der Regel haben die Teefelder große Ventilatoren um die Pflanzen zur schützen, aber dieser winzige Betrieb kann sich diese Geräte nicht leisten.
Ausblick über das Teefeld und die wunderschöne hügelige Landschaft in Miyazaki.
Die beiden Kinder spielen ausgelassen zwischen den Teefeldern.
Die gesamte Familie versammelt sich für ein Gruppenfoto.
Ganz links Uroma Kadota, Enkel Yusuke, Sohn Junji und Schwiegertochter Kadota mit den beiden fröhlichen Urenkeln und einem weiteren Kind welches unterwegs ist.
Beim Abschied winken wir aus unserem Taxi auf dem Weg zum Bahnhof und ...
...die fröhlichen Kinder platzen fast vor Aufregung.
Wir sind sehr, sehr froh in Zukunft mehr von diesen außergewöhnlichen und superleckeren Teespezialitäten in unser Programm aufnehmen zu können. Mit vielen positiven neuen Eindrücken und viel leckerem Tee im Bauch geht es zurück nach Kagoshima, wo wir zusammen mit Rebecca aus Paris noch die erste und einzige und sehr coole „Rooftop-Bar“ der Stadt besuchen. Hier lassen wir den Tag bei einer sehr schönen relaxten Atmosphäre ausklingen und fangen langsam an, uns auf morgen zu freuen.
Blick von der Brücke auf den Fluss Kotsuki im nächtlichen Kagoshima.
Reisebericht Teil 4 zeigt die Ernte bei Shutaro Hayashi in Kirishima.