Japanreise 2018 (21.04. - 04.05.)
1. Teil Anreise und Besuch bei Mike Martino
Am Samstag den 21. April ist es soweit: Wir haben das große Glück, wieder nach Japan reisen zu können. Dort werden wir sowohl bekannte Teebauern wie die Familie Morimoto (in Miyazaki), Familie Hayashi (in Kirishima), Familie Watanabe (in Yakushima) und Familie Matsumoto (in Kumamoto) besuchen und erste Shinchas und andere Tees verkosten. Auch neue Gesichter werden wir kennenlernen. Wir haben Termine mit neuen Teebauern, mit zwei Töpfern (Mike Martino und Herr Yamashita) und werden zum Ende der Reise auch noch ein großes Töpferfestival in Karatsu besuchen.
Es geht diesmal mit einer sehr guten Flugverbindung von Hamburg über Helsinki und Nagoya nach Fukuoka. Beim letzten Inlandflug schlafen wir immer wieder vor Übermüdung ein, werden aber zum Landeanflug wieder kurzzeitig hellwach, denn aus dem Fenster sehen wir die belebte Bucht von Fukuoka. Wir haben blauen Himmel und super Sicht, deshalb ist diese Landung sehr spektakulär. Wir fliegen erst über vorgelagerte Inseln und tolle Strände, danach über Hochhäuser der „downtown“.
Der Flughafen ist wirklich mitten im Zentrum der Stadt, die immerhin 1,5 Millionen Einwohner hat und damit die größte Stadt von der Insel Kyushu ist. Nie zuvor sind wir irgendwo gelandet, wo der komplette Flughafen von einer pulsierenden Großstadt umgeben ist.
Das ist auch der Grund dafür, dass wir nach zwei U–Bahnstationen schon eine halbe Stunde später in unserem Hotel sind. Viel machen wir nach dieser langen Reise nicht mehr. Wir orientieren uns in der näheren Umgebung, essen noch ein paar japanische, vegetarische Tapas und bereiten uns auf den morgigen Tag vor.
Am Montag den 23.04 geht es mit dem Midori Express nach Hiren-Yamaguchi. Schon vor einigen Monaten haben wir mit dem Töpfer Mike Martino Kontakt aufgenommen und freuen uns riesig, ihn und seine Arbeit heute persönlich kennenzulernen.
Midori bedeutet Grün und da freuen wir uns natürlich ganz besonders, dass unser Zug zufällig so heißt. ^^
Am Bahnhof erfrischen wir uns mit einem kühlen, leckeren Mizudashi-Grünteebeutel der einfach in einer Flasche mit kaltem Wasser kurz geschüttelt wird und in wenigen Sekunden trinkbereit ist.
Der Name Mike Martino hört sich nicht gerade japanisch an denn ursprünglich kommt Mike aus New Mexiko / USA. Er lebt allerdings schon seit 1990 in Japan. Schon seit seiner Kindheit interessiert er sich für Töpferei, fängt aber erst 2002 unter Anleitung seines Mentors Tsuruta Yoshihisa damit an. Mit dem Bau seines Studios beginnt er 2005 und obwohl er keine großen handwerklichen Erfahrungen hat, macht er alles selbst. Zunächst brennt er seine Keramik in verschieden Öfen zu denen er fahren muss. Im Jahr 2008 installiert er einen Gasofen und zwei Jahre später baut er seinen 10 Meter langen Anagama/Noborigama Holzhofen neben seinem Studio.
Uns gefällt besonders die Philosophie von Mike. Er möchte kleine Kunstwerke im Sinne der Gebrauchskeramik herstellen und betont, dass die fertigen Stücke im Gebrauch über die Jahre erst zu „fertigen“ bzw. schöneren Kunstwerken werden. Er zeigt uns die Unterschiede zwischen neuen Stücken und Schalen, die schon über Jahre im Gebrauch sind. Das erklärt sicher auch die hohen Preise, die häufig für antike Keramik aus Karatsu auf dem Markt bezahlt werden. Außerdem können Töpfer der Gegenwart nach Mikes Meinung auch in die traditionelle Töpferei neue Einflüsse der Gegenwart einbringen. Trotz der langen Tradition soll man nicht vor Ehrfurcht erstarren und ein Teil der Weiterentwicklung sein.
Karatsu Keramik kann in der Tat auf eine lange Tradition zurückblicken. Erste Nachweise für die Herstellung, die auf Grund der geographischen Nähe sehr vom koreanischen Stil beeinflusst wurde, gibt es zum Ende des 6. Jahrhunderts. Die erste Glanzeit erlebte Karatsu zum Ende des 16. Jahrhunderts. Auch der große Teemeister Sen no Rikyu benutzte Chawans aus dieser Region für seine Teezeremonien. Ursprünglich lag der Schwerpunkt der Karatsuwerkstätten auf alltäglicher Gebrauchskeramik, häufig in rustikal-schlichtem Stil, der von Teemeistern der nun aufblühenden Teezeremonien favorisiert wurde. Das Ideal von Wabi-Sabi hat sich hier manifestiert. Ab 1630 verdrängte das populär gewordene Hizhu Porzellan, die Keramik fast völlig. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts hat Nakazato Shigeo (1895-1985), auch bekannt als Tarormon der Zwölfte, viel für die Wiederherstellung der Karatsu-Tradition getan.
Heute steht Karatsu-Keramik nach Raku- und Hagi- an dritter Stelle der Beliebtheitsskala bei Kennern und Benutzern von Teekeramik.
Zurück zur Gegenwart und Mike Martino, der uns heute am Bahnhof abholt. Schon auf der Fahrt erzählt er uns von seinem aktuellen Brand. Vor fünf Tagen hatte er für ca. 48 Stunden seinen Ofen mit Hilfe seines Mentors beheizt. Die Temperaturen erreichen je nach Position im Ofen von 900-1300 Grad Celsius. Dabei wird versucht diese langsam konstant zu erhöhen, damit die Keramik gut aushärtet und möglichst nicht aufplatzt. Nach dem Befeuern soll die Temperatur möglichst langsam absinken. Es dauert ca. 3 ½ - 5 Tage bis die Temperatur auf ca. 100 Grad abkühlt, so dass die fertigen Stücke aus dem Ofen genommen werden können. Es darf nicht zu schnell gehen, denn die Gefahr für Risse in der Keramik ist beim Abkühlen genau so groß wie beim Beheizen. Gewisse Moleküle im Ton werden beim Brand ca. 3% größer und beim Abkühlen schrumpfen sie wieder um 3%. Bei schnellen und unkontrollierten Temperaturschwankungen kommt es deshalb oft zu Rissen.
Bei seinem letzten Brand hat Mike 8 Paletten Holz (ca. 14-16 m3) verfeuert. Die Holzscheite müssen vorher auf die richtige Grösse gespalten und gut getrocknet werden. Manchmal bekommt er dabei Hilfe von einem seiner Söhne. Mike meint er könne viel mehr töpfern, wenn er nicht so viel Holz spalten müsse. Aber er sagt es mit einem Lächeln auf den Lippen und meint es nicht ganz ernst. Er kümmert sich aber nicht nur um das Holz, sondern sucht auch selbst den Ton, der in dieser Region nicht sehr elastisch (flexibel bei der Verarbeitung) ist. Gewisse Details sind deshalb etwas schwieriger zu formen, als mit anderen Tonarten. Mike glasiert mit Reisstrohasche, Feldspat, eisenhaltiger Asche, Engoben und arbeitet auch mit, für Karatsu typischen, Unterglasurdekoren.
Der 10m lange Holzbrandofen (=Anagama) von Mike Martino.
Mike erklärt die Funktionsweise seines beeindruckenden Ofens.
Der Ofen ist noch sehr heiß, weil Mike die letzen Tage frisch gebrannt hat und es Tage dauert, bis der Ofen langsam abgekühlt ist.
Die vordere Luke wird geöffnet und man kann bereits einige Stücke der aktuellen Ladung erkennen.
Hier kann man gut erkennen wie aufwändig es ist, den Ofen zu beladen und die sensiblen Stücke sachte zu stapeln. Nach dem Beladen wird der Eingang zugemauert und der Ofen tagelang durch die Luken befeuert. Viele Stücke überleben diese Prozedur nicht. Dieser Brand hatte einige Shibos auf die wir uns sehr gefreut hatten, aber keine einzige hat diesen Brand heil überstanden.
Mike ist sehr geduldig und freut sich über unser fachliches Interesse. Obwohl er vom Brand unter Schlafmangel leidet, beantwortet er freundlich unsere vielen Fragen.
In der Werkstatt hängt ein Kunstwerk seines Sohnes. Ein Sinn für Ästhetik und Tee lässt sich bereits erkennen. ^^
Unten in der Werkstatt stehen viele rohe Stücke aus grobem Karatsuton zur Trocknung.
Noch ungebrannte Teeschalen in der Trocknung.
In der Werkstatt erklärt Mike die unterschiedlichen Techniken.
In seinem kleinen Studio fühlen wir uns sehr wohl und sind überall von wunderschöner Keramik umgeben, die uns anlacht. Wir stöbern durch die Regale und halten viele Stücke mit einem breiten Grinsen und leuchtenden Augen in den Händen. Wir benutzen seine Keramik auch beim gemeinsamen Teetrinken und reden viel über Tee, Keramik und unsere persönlichen Erfahrung mit japanischen Tee und auch über einen gemeinsamen Bekannten. In seiner Werkstatt haben wir eine Teekanne von Andrzej Bero, einem unser Lieblingstöpfer aus Europa, entdeckt. Die beiden haben sich vor Jahren bei einem Keramikworkshop in Korea kennengelernt. Manchmal ist die große Welt des Tees dann doch ein Dorf.
Oberhalb der Werkstatt ist das gemütliche Studio. Dort befinden sich die Schätze. Das "look & feel" von den Keramiken packt uns sofort. Sie sind sehr lebendig, strahlen große Ruhe aus und fühlen sich phantastisch an.
Die großartige Abwechlung und die Vielfalt der Formen und Glasuren ist auch nach unserem Gusto.
Mike lehnt sich an die historischen Karatsu-Keramik (=Karatsu-Yaki) an, bringt trotzdem seine persönliche Handschrift ein.
Das Individuelle, kaum Reproduzierbare, also nicht das Pefekte, machen diese Stücke so spannend und einzigartig.
Zufällig erscheinende Glasurverläufe und Schattierungen und keine schnurgeraden, kreisrunden Oberkanten sind erwünscht.
Diese Technik dient in erster Linie der Stabilität des fragilen Porzellanmaterials.
Ein lebendiger Glasurverlauf der an eine Naturlandschaft erinnert.
In der japanischen Ästhetik müssen die Stücke nicht gleich sein um zusammen zu passen, sondern erstrahlen im "Mix & Match" der Kontraste. Universelle Sets gleicher Farbe und Form, so genannte Keramikservice, sind eher im Westen beliebt.
Hier wird das Wasser für unsere Tee erhitzt.
Den Deckel seinter Shiboridashi hat Mike mit Kintsugi repariert.
Wir bekommen Tee aus einer sehr großen Shibo serviert. Mike liebt Shibos besonders weil sie so leicht zu reinigen sind.
Der Tee schmeckt sagenhaft lecker und Mike zeigt uns wie sich die Teebecher nach langem Gebraucht optisch verändern. Erst durch die Nutzung werden die Stücke vollendet. Auch am mittleren Becher findet sich eine Kintsugi Flickstelle.
Unten in der Werkstatt neben dem Ofen finden wir zufällig ein Kännchen von Andrzej Bero - da hier viel gearbeitet wird fliegen hier ständig Späne, Sand und Asche umher. Das entschuldigt das wilde Aussehen der Kanne. ;o)
Nach vielen beantworteten Fragen fangen wir langsam an Stücke auszusuchen, denen wir als Zwischenstation helfen wollen, ein neues Zuhause in der Welt der Teekeramik-Liebhaber zu finden.
Wir müssen uns beherrschen, denn wir wollen im weiteren Verlauf der Reise noch viel Tee und auch weitere Keramik kaufen, haben aber trotzdem eine schöne Auswahl treffen können. Mike werden wir am Ende der Reise nochmal in Karatsu beim Töpferfestival treffen, aber für heute geht es mit tollen Erfahrungen und einigen Stücken im Gepäck zum Hotel. Die meisten Stücke wie Teeschälchen wird er uns schicken, aber ein paar Highlights wie Shibos und besodere Chawans nehmen wir direkt mit.
Olli stöbert und würde am liebsten fast alles einpacken.
Die Auswahl fällt uns schwer weil das Angebot gut zu den Bedürfnissen unserer Kunden passt und unseren Geschmack trifft.
Schlichte Chawans mit craquelierter Feldspatglasur. Diese und ähnliche Matchaschalen haben wir auch eingekauft und sie werden Ende Mai oder Anfang Juni bei uns eintreffen.
Der rechte 3/4 Teil wird bald bei uns im Shop erhältlich sein können.
Olli und Mike besprechen noch Einzelheiten der von uns ausgesuchten Stücke.
Nun wird der Einkauf aufgelistet und berechnet.
Diese verspielten Teebecher mussten einfach mitkommen. <3 Der Rechte dient als Profilbild in Mike's sozialen Netzwerken.
Angelika Hartleib vom TKK und Mike Martino in seinem gemütlichen Studio mit kleinem Ausstellungs- und Teeraum.
Neben dem Ofen befindet sich der Keramikfriedhof verunglückter Stücke.
Heute ist eine neue Freund- und Partnerschaft ist entstanden - wir sind alle happy.
Hier geht es zu einigen seiner Stücke. Wir konnten im Gepäck nur ein paar wertvollere Chawans und Shibos mitbringen. Teeschalen folgen in wenigen Wochen und werden ungefähr Ende Juni 2018.