Teil 4 von 7
11./12. Mai zu Besuch bei Aiya in Nishio
Heute sind wir weiter nördlich auf der Hauptinsel Honshu in der Region Nishio unterwegs. Wir besuchen heute die Firma Aiya, die sich auf die Produktion von Matchatee spezialisiert hat. Hier geht, klimatisch bedingt, die Ernte deutlich später los als im wärmeren Süden Japans. Wir haben Glück, denn das Wetter ist perfekt und die Ernte hat gerade erst gestern begonnen.
Wir verlassen die südliche Insel Kyushu Richtung Norden und haben zu Abschied einen wundervollen Blick auf die schöne, üppige Landschaft.
In Japan kann man ganz gemütlich auf dem Boden sitzend leckeres, traditionelles Essen im Restaurant genießen. Von links: Jun Hirokawa von Aiya Europe, Olli und Geli vom TKK, Lukasz Parobij von Aiya Europe.
Knuspriges, frisches Gemüse in Tempurateig und japanische Nudeln sind eines unserer Lieblingsspeisen. Als Vegetarier hat man es in Japan nicht immer so ganz leicht.
Erfreulicherweise ist Lukasz Parobij, der bei Ayia Europe in Hamburg unser Ansprechpartner ist, vor Ort und nimmt sich zusammen mit Midori Sano den ganzen Tag Zeit für uns. Er kennt nicht nur die Fabrik und ist ein guter Dolmetscher, sondern ist auch ein Fachmann auf dem Gebiet japanischer Teegeschichte.
Midori Sano von Aiya Japan ist unsere freundliche Betreuerin vor Ort.
Das japanische Aiya Logo auf einer der großen Gebäude.
Schon auf der Hinfahrt zur Ernte fahren wir an vielen Teefeldern vorbei. Die meisten sind mit schwarzen Netzen abgedeckt, denn kurz vor der Ernte werden die Teepflanzen je nach Sorte 8 – 25 Tage lang beschattet. Durch den Entzug des Lichtes produzieren sie mehr Chlorophyll, Aminosäuren und L-Theanin, die für die süßeren Nuancen des fertigen Matchatees verantwortlich sind.
In dieser Region werden noch ca. 10% mit der Hand geerntet. Diese Blätter kommen nur in die höchsten Qualitäten. Viele der Pflücker/innen sind hier Rentner, die sich während er 3 - 4-wöchigen Erntezeit etwas dazu verdienen. Sie sammeln ca. 20 – 25 Kilo am Tag. Der Rest der Erntemenge wird von Maschinen geschnitten.
Tenchafelder mit aufgespannten Beschattungsnetzen.
Das Teefeld links hinter uns wurde bereits abgeerntet und recht im Bild werden Teebüsche für eine eher kürzere Zeit direkt beschattet. Diese Technik seht ihr auch bei der Ernte im Reisebericht Nr. 1
Die Pflanzen wachen hoch weil sie mehr Licht suchen.
Die Reduzierung des Sonnenlichtes regt die Bildung von Chorophyll an und die Teeblätter werden dadurch noch grüner.
Eine junge, zarte Teeknospe.
Handernte von beschatteten Teeblättern für Matchateeproduktion in Japan.
Fröhliche, gut gelaunte Teepflückerinnen in Nishio.
Die gesammelten Blätter werden gewogen und anschließend sofort zur nahegelegenen Fabrik gefahren.
Vom Feld geht es auf schnellstem Wege zur Arachafabrik. Ein wunderbarer Duft empfängt uns schon an der Tür. Die Teeblätter kommen direkt in die Bedampfung, die bei 100°C nur 20 – 30 Sekunden dauert. So wird die Frische konserviert und der Prozess der Oxidation gestoppt. Dann, und hier liegt ein gravierender Unterschied zu Blatt-Tee, werden die Blätter in Luftströmen aufgewirbelt, leicht getrocknet und voneinander getrennt, bevor es in den großen Ofen geht (Blatt-Tee wird geknetet/gerollt damit Blattsaft austritt). Im Ofen werden sie in fünf Etagen von 180 – 130° C für etwa 20 Minuten sanft getrocknet. Nun haben die Blätter ungefähr 20% ihres Urprungsgewichtes. Danach findet eine Sortierung und falls nötig Nachtrocknung statt. Jetzt ist der Aracha (=Rohtee) fertig und wird verpackt. Von den verschiedenen kleinen Arachafabriken, die immer in der Nähe der Felder sind, geht es zur Weiterverarbeitung/Veredelung in die Tenchaproduktion.
Frisch geerntete Teeblätter kurz vor der Dämpfung.
Hier werden die Blätter mit heißem Wasserdampf gedämpft um die Frische zu erhalten.
Anschließend werden die Blätter im Luftstrom hoch nach oben gewirbelt, um sie zu separieren und schonend zu trocknen. Der Anblick ist wunderschön und erinnert uns sofort an einen Schmetterlingsgarten
Im nächsten Schritt geht es in den großen Backofen ...
... wo sie 20 Minuten lang fünf Etagen durchlaufen und schonend getrocknet werden.
"Frisch gebackene" Teeblätter - nun haben die Blätter ungefähr 80% des ursprünglichen Gewichtes verloren.
Hier in der kleinen Tenchafabrik wird aus dem Aracha (=Rohtee) Tencha (=getrocknetes Blattfleisch), das dann später in einem weiteren Schritt zu Matcha vermahlen wird, produziert. Das hochwertige Blattgut trennt sich in mehreren Schneide- und Sortierungsprozesse vom Rest (Blattrippen und –stängel). Wir sind zur Zeit der ersten Ernte vor Ort und jetzt werden die feinen, edlen Qualitäten produziert.
Unsere Matchatees Ten, Horai und Akashi (ehemals Hiraki) sind reine Erste-Ernte-Tees von hoher Blattqualität.
Der Izumi ist ein Blend (=Mischung) aus erster und zweiter Ernte und bei den Koch- und Mixqualitäten Tsuki und Fuku handelt es sich um Blätter der zweiten Ernte.
In der Tenchafabrik wird man als Besucher hübsch verpackt. Hier im Bild: Dottore Olli ^^
Das Blattgut wird in vielen aufwändigen Prozessen sortiert, von unedleren Teilen getrennt und zerkleinert. Hier im Bild: knusprige, zarte Tenchaflocken.
Tee wird in Japan stets in professionellen Kühlräumen gelagert, so auch hier der frische Aiya Tencha.
Jetzt geht es für uns zur Tencha- und Matchaverkostung beim Aiya Teataster Daichi Sugita. Wir vergleichen die Sorten Fuku und Ten miteinander und der Unterschied ist natürlich riesengroß.
Es fängt bei Geruch und Farbe an. Der Ten ist durch seine lange Beschattung (bis 24 Tage) viel grüner. Schon der Aufguss des Tenchatees hat deutlich mehr Süße und wie zu erwarten gibt es auch beim Endprodukt einen enormen Unterschied. Der Fuku hat leicht herbe und fruchtige Noten und eignet sich nicht wirklich für den puren Genuß.
Von vorne: Tencha für Ten, Tencha für Fuku, Aracha
Im Aracha sind noch Stängel enthalten
Aufgießen der Tenchaflocken
Vermischen des Matchapulvers
Ziehen lassen ...
... schnuppern ...
... und probieren ...
Beim Verkosten von Tee darf geschlürft werden.
Vergleich vom Teeblatt, Tenchaaufguss, Matchatee und die Feinheit des Pulvers. Man sieht schon welcher Aufguss am leckersten schmeckt.
Nach vielen neuen Inputs geht es für uns erst mal zum Mittagessen. Vorher mahlen wir uns mit einer manuellen Matchamühle unsere eigene kleine Portion Matchatee, was ca. 10 Minuten dauert. Er schmeckt köstlich. Kulinarisch werden wir mit außergewöhnlich leckeren, grünen Matcha-Sobanudeln verwöhnt.
Das vermahlen des Tencha zu Matchapulver ist sehr mühsam.
Frisch und selbst vermahlener Matchatee schmeckt köstlich und wirkt gegen das Mittagstief belebend.
Lukas von Aiya und Geli vom TKK freuen sich schon sehr auf das Mittagessen.
Matcha-Sobanudeln - eine Augenweide die auch noch herrlich erfrischend und köstlich nach Matcha schmeckt. Zweifellos eines der kulinarischen Highlights unserer Reise.
Eine Insel der Ruhe - die Japaner haben es einfach drauf wie man Gärten ästhetisch und harmonisch gestaltet.
Als Nachtisch genießen wir in der Aiya Zentrale ein intensiv-cremiges und hocharomatisches Matchaeis. Es schmeckt einfach nur göttlich - eins der besten Matchaeiscremes, die wir je genießen durften. Das muss an der hohen Dosis Matcha Ten, Aiyas höchster Matcha-Qualität, liegen. Idealer Begleiter ist ein röstig schmeckender, milder Hojicha der einen tollen Geschmacks-Kontrast bildet.
Körper und Geist sind wieder gestärkt und wir sind bereit für die heiligen Hallen, wo nicht weniger als 1000 Granitmühlen im Einsatz sind um Tencha zu Matcha zu vermahlen.
Frau Sano macht im wahrsten Sinne des Wortes das Licht an, denn normalerweise laufen die Mühlen im Dunkeln, um so wenig Licht wie möglich an das grüne Gold zu lassen. Bei hoher Auslastung laufen die Mühlen 24 Stunden am Tag und werden alle sechs Stunden mit Tenchablättern befüllt. In einer Mühle können pro Stunde knapp 40 Gramm gemahlen werden. Das entspricht in etwa dem Inhalt von ein bis zwei Dosen.
Der Großteil der Produktion ist für die Weiterverarbeitung in der japanischen Lebensmittelindustrie. Die Regale in den Supermärkten sind mit grünen Leckereien prall gefüllt.
Im selben Gebäude hat Aiya moderne Labore für das Qualitätsmanagement. Es findet die Kontrolle auf Hefe- und Schimmelpilze und alle weiteren mikrobiologischen Analysen und Rückstandskontrollen statt. Außerdem werden Korngröße, Restfeuchte und Farbwert bestimmt.
Hinter der Glasscheibe stehen über tausend Stück dieser wunderbaren Steinmühlen.
Die Granitmühlen drehen sich langsam und unermüdlich im Kreis.
Bei Aiya stehen zwei solcher prall gefüllten Schränke mit allerlei Matchaprodukten die es auf dem Markt gibt.
Getränkeautomaten stehen in Japan an jeder Ecke und sie sind stets mit viel Grünteeflaschen befüllt. Eine davon wurde sogar nach dem Öffnen von alleine heiß. Die hatten wir versehentlich gekauft - normalerweise handelt es sich um kalten, einfachen Grüntee mit Röstgeschmack.
Danach geht es für uns in den oberen Stock zu den Granitmühlenmeistern. Die Verwendung von Granitmühlen ist auch heutzutage immer noch sehr wichtig, da sie geschmacksneutral sind und wenig Reibungshitze entwickeln (weniger als 50° Celsius).
Aiya hat fünf Steinmetze angestellt, die sich um die Wartung der Mühlen kümmern. Jedes Jahr werden die Mahlsteine nachgearbeitet und der Eichenstab (=Shinbou) in der Mitte muss dann ausgetauscht werden. Die zwei Steinhälften (je ca. 25 Kilo Gewicht) müssen genau aufeinander angepasst sein, damit das Pulver beim Vermahlen in der richtigen Geschwindigkeit von innen nach außen transportiert werden kann.
Einer der Steinmetze ist bereits seit 20 Jahren in der Firma und erzählt uns, daß noch nie ein Stein komplett entsorgt werden musste.
Die beiden Steinmühlen-Meister kümmern sich um die aufwändige Pflege und Instandhaltung der Mühlen.
An der Werkbank wird der Eichenstab erneuert. Der Stab hält die beiden Steine zusammen und wird jedes Jahr ausgetauscht.
Der Steinmetz erklärt uns das Prinzip der Rillen und wie der Tencha während des Mahlvorgangs langsam nach außen wandert.
Olli vom TKK ist beeindruckt wie schwer sich 25kg einer Steinhälfte anfühlen.
Diese Steintürme müssen alle noch bearbeitet werden.
So werden die Rillen in den Granit eingefräst. Die Steine sind auch noch konkav leicht ausgehöhlt, also nicht ganz flach was auch regelmäßig nachbearbeitet wird.
Ein spannender Tag neigt sich langsam dem Ende und zum Abschluss trinken wir noch mit Midori und Lukas in einem historischen, wundervollen Teehaus einen Matchatee. Lukas erzählt uns noch viele spannende Geschichten und Hintergründe zur Geschichte der japanischen Teezeremonie. Lukas kennt sich nicht nur mit japanischer Geschichte wunderbar aus, sondern ist zudem auch noch ein Keramik-Experte. Sein Wissen beeindruckt uns sehr. Lukas betreibt auch privat diesen lesenswerten Blog über Teekeramik
In diesem wunderschönen Teehaus trinken wir köstlichen Matchatee ...
... und genießen diesen herrlichen Ausblick in den japanischen Garten.
Der Tee wird auf gemütlichen Tatamimatten serviert.
Wir bekommen die "goldene Chawan" zu der uns Lukas die Historie erzählt.
Zum Matchatee wird in Japan stets eine kleine, entzückende Süßigkeit serviert. Auf japanisch werden sie Wagashi genannt.
Olli genießt seinen Matchatee.
Auch hier wird als Zugabe ein Houjichatee serviert. Ein frisch-grasig schmeckender Grüntee wäre zu sehr in der Richtung vom Matcha, daher passt der Houjicha wunderbar als Kontrast und harmoniert überraschend gut. Das wollen wir uns merken.
Japanischer Fächer-Ahorn im Garten beim Teehaus
Ein wundervoller Tag neigt sich dem Ende - von links: Olli und Geli vom TKK, Lukas von Aiya
Vielen Dank an Lukas, Midori und Aiya für einen sehr lehrreichen und interessanten Tag.
HIER geht es weiter zum Teil 5 über den Besuch bei dem Biopionier Iwao Hayashi in Mie